12 titelthema gesellschaftswissenschaftliche fundierungen die arbeit von pflegenden, pflegepädagoginnen und -pädagogen, sozialarbeiterinnen, sozialarbeitern und hebammen geschieht nicht im luftleeren raum. sie wird in der gesellschaft, im auftrag der gesellschaft, unter gesellschaftlich-ökonomischen bedingungen und unter maßgabe politischer, fachlicher wie monetärer entscheidungen vollzogen. daher liegt der schwerpunkt von sage-studiengängen nicht ausschließlich auf der vermittlung von fachlichem wissen im sinne von fach- licher kompetenz oder methode. weit verbreitet ist die vorstellung, dass die grundlage für ein erfolgreiches studium von sozialer arbeit, pflege, hebammenwesen oder pflegepädagogik eine helfende, unterstützende, also „soziale“ einstellung der studieninte- ressierten ist. tatsächlich ist eine solche einstellung häufig die motivation, das studium am fachbereich aufzuneh- men. die erwartung eines möglichst hohen einkommens oder einer prestigeträchtigen karriere nach abschluss dieser studiengänge wäre unter den gegebenen gesell- schaftlichen bedingungen auch äußerst unrealistisch. und tatsächlich bilden alle studiengänge für berufsfelder aus, die organisationstheoretisch als „soziale personen- bezogene dienstleistungsarbeit“ (klatetzski) bezeichnet werden. „sozial“ meint in dieser definition jedoch nicht, dass die darin arbeitenden besonders sozial eingestellt sind. „sozial“ heißt, dass es sich um eine gesellschaftliche aufgabe handelt, die durch gesellschaftliche instituti- onen beauftragt und finanziert wird. das interesse an den einzelnen individuen findet sich in dieser definition vielmehr im begriff „personenbezogen“. die motivation der studieninteressierten, einer helfenden, unterstützenden, also im umgangssprachlichen sinn „sozialen“ tätigkeit nachgehen zu wollen, machen die studiengänge am fachbereich den studierenden insofern „madig“ (adorno), als sie die studierenden zur kritischen reflexion ihrer eigenen haltung anregen und das zuhören, verstehen, klug nachdenken ins zentrum stellen. erst hieraus ergibt sich, was unterstützung und „helfen“ jenseits eines paternalistischen beziehungsverhältnisses und normativer schlagworte sein kann. die anforderungen sind recht hoch: im zentrum stehen jeweils die hebammen-, pflege- und sozialarbeitswis- senschaftlichen inhalte und theorien. zudem geht es in den studienprogrammen einerseits um sozialrechtliche (und je spezifisch familienrechtliche, pflegerechtliche et cetera) regulierungen, restriktionen und innovationen, berufsethische fragestellungen, die einbeziehung aller körperlichen sinne als methode wie auch als erkenntnis- instrument (aisthesis), ökonomische und sozialpolitische zusammenhänge, organisationstheoretische fragen (trä- gerstrukturen, management, governance) und sozialphi- losophische, ethische, psychologische wie pädagogische grundlagen. andererseits sollen die studierenden in die lage versetzt werden, die gesellschaftswissenschaftlichen fundierungen in den spezifischen fachwissenschaften einordnen zu können: seien es kritische theorie, sozial- staatskritik, konstruktivismus, systemtheorie, poststruk- turalismus, feministische theorie. dies ist notwendig, um die fachliteratur und veröffentli- chungen aus qualitativen und quantitativen forschungen zu interpretieren, wie auch um in eigenen lehrforschungs- projekten gesellschaftlich relevanten fragen aus dem jeweiligen praxisfeld nachzugehen. zusammenfassend bedeutet „gesellschaftswissenschaft- liche fundierung“ für den fachbereich sozial- und gesund- heitswesen, „gesellschaft“ inklusive der ökonomischen bedingungen, der demographischen dynamiken, der medialen, populistischen und politischen diskurse vor dem hintergrund einer wissenschaftlichen fachlichkeit in hebammenwesen, pflege, pflegepädagogik oder sozialer arbeit kritisch zu hinterfragen. die kritische reflektion der eigenen professionellen tätigkeit und der tatsächlichen bedingungen in der praxis und somit eine reflektion der eigenen fachlichkeit in ihrer begrenzung bleibt da- bei nicht aus. dafür sind lehr-lern-forschungsprojekte zukunftsweisend – für die akademische ausbildung wie auch als seismograph für aktuelle fragen in der praxis. prof. dr. ellen bareis dekanin des fachbereichs sozial- und gesundheitswesen tel. 0621/5203-531 ellen.bareis@hs-lu.de