gestiegene nachfrage. „vor 30 oder 40 jahren war wohnungslosigkeit vor allem ein problem von männern in der lebensmitte. nun sind immer mehr jüngere menschen, menschen über 60 und mit derzeit rund 28 prozent auch immer mehr frauen von wohnungslosigkeit betroffen“, weiß wagner. das zusammenleben von jungen und alten männern auf dem begrenzten raum des not- und des langzeitübernachtungsbereichs schafft vor dem hintergrund der oft dramatischen lebenssituationen der bewohner zusätzliche konflikte. „dringend nötig ist auch ein angebot für frauen“, betont wagner, der im förderzentrum st. martin nur betten für männer über 18 jahren anbieten kann. ein erster schritt nach jahrelan- gem ringen ist die einrichtung einer dezentralen einheit für wohnungslo- se frauen, die fünf plätze verteilt auf drei wohnungen bereithalten soll. „das projekt ist aber erst einmal nur auf zwei jahre bewilligt und muss wissenschaftlich begleitet werden“, so wagner. dass das problem der wohnungs- losigkeit in der region bei weitem nicht so marginal ist, wie es die sta- tistiken glauben lassen, haben auch ellen herzhauser und chris beck, stu- dierende des masterstudiengangs soziale arbeit am fachbereich sozi- al- und gesundheitswesen, bei den recherchen zu ihrem von professor dr. andreas rein und professorin dr. ellen bareis betreuten forschungs- projekt „die situation wohnungsloser junger erwachsener in ludwigshafen“ erfahren. in gesprächen mit betroffe- nen und experten der sozialen arbeit hat sich ihnen gemeinsam mit ihren beiden kommilitoninnen lena müller und viola schiestl ein recht differen- ziertes bild der szene in ludwigsha- fen eröffnet. „wohnungslose jugend- liche und junge erwachsene werden durch das sogenannte aktivierungs- paradigma des sozialgesetzbuchs sgb ii noch stärker reglementiert und sanktioniert als wohnungslose er- wachsene“, erklärt ellen herzhauser. „im sgb ii, das regelungen für er- werbsfähige leistungsberechtigte, ‚hartz iv‘, enthält, sind für diesen personenkreis spezielle vorschriften bei der verletzung von pflichten vor- gesehen, die in erster linie einen er- zieherischen charakter haben sollen. so können bei regelverstößen von jugendlichen und jungen erwachse- nen die leistungen um 100 prozent gekürzt werden, so dass diese dann auch keine gelder für unterkunft und heizung mehr bekommen“, ergänzt chris beck. dadurch verschärfe sich die situation der betroffenen weiter. die interviews hätten außerdem ge- zeigt, dass die versorgungsstruktur in ludwigshafen verbesserungsbedürf- tig sei, vor allem für wohnungslose junge frauen. wohnungslosen kindern, jugendli- chen und jungen erwachsenen wid- men sich auf der anderen rheinseite auch das projekt freezone in mann- heim, das markus unterländer im rahmen des diversity-tages vorstell- te. die niederschwellige, auf freiwil- ligkeit und flexibilität setzende ein- richtung bietet den jugendlichen seit 1997 ein tagesangebot (freezone), seit 2011 ein übernachtungsangebot (streetnight) und nun auch mit der mannheimer straßenschule die mög- lichkeit eines schulabschlusses. „bil- dung ist das a und o, der schlüssel zur integration“, erklärt unterländer. „die jugendlichen können bei uns freiwil- lig ihren hauptschul- oder realschul- abschluss nachmachen. sie haben montags bis freitags abends jeweils drei stunden unterricht. auf 10 plätze kommen 5 bis 7 lehrkräfte, meist ehrenamtliche, ehemalige lehrer oder studierende.“ einer dieser ehrenamt- lichen lehrer ist david schenkenberg. der student der sozialen arbeit an der hochschule ludwigshafen unter- richtet in der straßenschule mathe. „das tempo bestimmen bei uns die schüler. durch die vielen lehrkräfte können wir fast eine 1:1-betreung leisten und es ist erstaunlich, wie schnell die jugendlichen fortschritte machen und wie gut sie sind!“ meist innerhalb eines jahres legen sie an der werkrealschule oder an der real schule ihre prüfung ab. und der erfolg kann sich sehen lassen: „von bislang 37 schülern haben 35 ihren abschluss erfolgreich gemeistert“, freut sich markus unterländer stolz. nun soll freezone auch in ludwigs- hafen fuß fassen: der verein her- zenssache e.v., eine kinderhilfsaktion von swr, sr und sparda-bank, der bereits in mannheim den ausbau des programms finanziell unterstützte, hat als anschubfinanzierung bereits 250.000 euro für das „zwillingspro- jekt“ in ludwigshafen zugesagt. auch eine passende immobilie in ludwigs- hafen-oggersheim wäre gefunden. „noch scheitert die umsetzung aller- dings an der baugenehmigung für die nötigen umbaumaßnahmen. aber wir geben noch nicht auf“, zeigt sich unterländer kämpferisch. viel zeit für die gute sache bleibt allerdings nicht mehr, denn am 3. februar 2017 verfällt das von herzenssache bereit- gestellte kapital, wenn es bis dahin nicht abgerufen wird. ew nähere informationen und spendenmöglichkeit unter: www.st-martin-ludwigshafen.de www.freezone-mannheim.de 41 aktuell