26 International Ihnen haben wir andere Optionen geöffnet: Sie können zum Beispiel Chinastudien in anderen Ländern Europas als Auslandsjahr anrechnen lassen oder an andere asiatische Standorte ausweichen wie Malaysia oder Indien. Auch Taiwan bleibt eine sehr gute Option. Es ist sehr spannend, sich China auch aus der Sicht seiner Nachbarn zu nähern und beispielsweise die chinesisch-indischen Beziehungen näher zu betrachten. Gerade hat mein Kollege Professor Dr. Manuel Vermeer für das OAI eine Partnerschaft mit der Somaiya Universität in Mumbai, Indien, aufgebaut. Konnten umgekehrt Austauschstudierende aus Asien nach Ludwigshafen kommen? Es kamen durch die Beschränkungen der Reisefreiheit und die sonstigen Corona-Auflagen insgesamt weniger internationale Studierende als sonst, aber ganz versiegt ist der Strom nicht, auch wenn die Lehre phasenweise nur online stattfinden durfte. Wie bewerten Sie die Lage am OAI insgesamt? Insgesamt war es eine herausfordernde Phase, insbeson- dere über die Länge der Zeit, aber ich denke, wir haben das insgesamt gut gemanagt und konnten gewährleisten, dass die Studierenden ihr Studium in der Regelstudien- zeit abschließen. Wie dargelegt, haben die Erfahrungen in der Pandemie unseren Horizont sogar beträchtlich erweitert, auch wenn die Volksrepublik China weiterhin eine besondere Herausforderung bleibt. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage in der Volksrepublik? Die Null-Covid-Strategie in China, verbunden mit schlech- ter Organisation wie aktuell zum Beispiel in Shanghai, führt zu enormen Zumutungen für die Bevölkerung. Die politische Führung hat hier eine Losung ausgegeben, die sie nicht zurücknehmen kann ohne Gesichtsverlust und beharrt daher darauf. Zugleich entwickelt sich die Politik in eine zunehmend autoritäre Richtung: Schon erreichte Freiheitsgrade wie Pluralität, Bewegungs- und Reisefreiheit werden wieder eingeschränkt. Und bei dem, was in Hongkong und Shanghai passiert, empfinde ich persönliche Betroffenheit – ich habe einige Jahre an beiden Standorten gelebt und gearbeitet und an der Chinese University of Hong Kong Chinesisch studiert. Hinzu kommen der Anspruch auf Taiwan mit militäri- schen Machtdemonstrationen und Drohungen sowie der Ukraine-Krieg, der die Situation weiter verschärft. China unterstützt hier de facto die russische Position und nutzt das auch für anti-westliche Propaganda. Das belastet die Beziehungen zusätzlich. Würden Sie westlichen Regierungen und Unternehmen mehr Distanz zu China empfehlen? Gesunde Distanz ja, Abschottungspolitik nein. Abschot- tung befördert am Ende nur nationalistisch-populistische Narrative, und alle Seiten verlieren am Ende. Alles in heimische Produktion zu investieren und der komplette Rückzug aus China sind der falsche Weg. China ist allein aufgrund seiner Größe und seiner Bevölkerungszahl ein Standort, den man nicht einfach ignorieren kann. Zudem sind in Deutschland Personalmangel und der Kostenfaktor limitierende Größen. Was empfehlen Sie stattdessen? Natürlich ist es richtig, Abhängigkeiten zu reduzieren. Wenn ein Unternehmen wie Volkswagen 40% seines Absatzes in China tätigt, ist das einfach nicht mehr gesund. Ähnliches gilt, wenn bestimmte Vorprodukte für die Pharmaindustrie ganz überwiegend von dort bezogen werden. Die Situation mit Russland zeigt uns gerade, wohin solche Abhängigkeiten führen können. Um flexibel auf wie auch immer geartete Krisen und Lieferengpässe reagieren zu können, sollten deutsche und andere internationale Unternehmen daher auf eine geographisch breitere Streuung von Absatz und Liefe- ranten setzen und zudem Puffer einplanen etwa durch Lagerhaltung in vernünftigen Dimensionen anstelle bloßer just-in-time-Produktion. Die Tür nach China sollte man in jedem Fall offen halten, und das sage ich ins- besondere deswegen, weil China, das eigentliche China, unter dieser politisch starren Glocke ein ganz diverses Land mit vielen unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Landschaften ist, mit gastfreundlichen und offenen Menschen. Dennoch: China hat momentan keinen guten Ruf. Wirkt sich das nicht auch negativ auf die Studienwahl aus? Das wenig sympathische Bild, das China momentan vermittelt, hat selbstverständlich Einfluss auch auf die Studieninteressierten: Deutschlandweit verzeichnen wir aktuell einen Rückgang der Studierendenzahlen für Chinastudien, und auch die Zahl der DAAD-Stipendien ist deutlich gesunken. Umgekehrt boomen Japan und Korea. Insbesondere die japanische und koreanische Pop-Kultur – Mangas, Animes und K-Pop – entfalten hier eine nicht zu unterschätzende „Soft-Power“.