Im Rahmen der „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege 2.0, 2018 – 2022“ des Landes Rheinland-Pfalz veranstaltete die Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen in Kooperation mit der Unfallkasse Rheinland-Pfalz, der BGW und der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz die erste Fachtagung „Gesundheitsförderung & Prävention in der Pflege“: Am 21. März 2019 widmete sich die Tagung mit rund 200 Gästen ganztägig dem Thema „Stärkung der psychischen Gesundheit“. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Grußwort von Arbeits- und Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler.
Unter der Leitfrage „Kultur der Gesundheit und Sicherheit im Pflegeberuf – Realität oder Vision?“ widmete sich die 1. Fachtagung Gesundheitsförderung & Prävention in der Pflege am Donnerstag, dem 21. März 2019, aus unterschiedlichen Perspektiven ganztägig dem Schwerpunkt „Stärkung der psychischen Gesundheit in den Pflegeberufen“. Dabei wurden unter anderem die Themen Prävention von Gewalt gegen Pflegende, wertschätzende Unternehmenskultur, Motivation zur Innovation in der Pflege, Pflegeethik als Ressource im Pflegalltag, Slow Care und die Kampagne „kommmitmensch“ der Unfallversicherer vorgestellt und gemeinsam mit den Tagungsgästen diskutiert.
Ziel der im Rahmen der „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege 2.0, 2018 – 2022“ des Landes Rheinland-Pfalz stattfindenden Tagungsreihe ist es, Pflegefachpersonenaus der Praxis, der Wissenschaft, dem Management, der Lehre und der Ausbildung mit der Politik und anderen Professionen ins Gespräch zu bringen und gemeinsam Innovationen zum Wohl der Pflegenden wie der Menschen mit Pflegebedarf anzustoßen. Die Relevanz des Themas nahm auch Arbeits- und Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler in ihrem Grußwort in den Blick: „Die Entwicklung und Gestaltung von attraktiven Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in Einrichtungen der Pflege ist seit Jahren für alle Partner der Fachkraftinitiative ein zentrales Element bei der Sicherung der pflegerischen Versorgung der Zukunft. Die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Pflegekräfte zu erhalten und zu stärken, ist ein wichtiges Handlungsfeld zur Deckung des zukünftigen Fachkräftebedarfs in der Pflege. Ich freue mich sehr, dass die Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen mit der Veranstaltung hier einen positiven Beitrag leistet“, so die Ministerin in der voll besetzten Aula der Hochschule.
Die ersten Fachbeiträge widmeten sich dann dem Themenblock „Prävention vor Gewalt gegen Pflegende“: Nico Oud, internationaler Experte für Aggressions-, Gewalt- und Deeskalationsmanagement im Gesundheitswesen (EViPRG, ENTMA, Amsterdam), stellte in seinem Vortrag „Prävention durch Deeskalation“ ein 9-Phasen-Modell vor. „Der Nulltoleranz-Ansatz von früher ist einer Kultur der Achtsamkeit gewichen“, erläuterte Oud. Entsprechend gehe es auch nicht um die Frage, wer an Aggressionsereignissen Schuld trage, sondern um eine Sensibilisierung. Ziel sei es, bereits im Vorfeld das Auftreten von Aggression und Gewalt im Gesundheitswesen zu vermeiden und zu vermindern.
Ein Blick in die Statistiken zeige, dass entgegen dem Empfinden der Bevölkerung verbale oder handgreifliche Aggressionen in den letzten Jahren nicht zugenommen hätten; wir uns vielmehr vielerorts in einer zunehmend friedlichen Welt bewegten, erklärte Professor Dr. Dirk Richter von den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern und dem Zentrum Psychiatrische Rehabilitation der Berner Fachhochschule in seinem Vortrag „Steigende Verletzlichkeiten und zunehmende Anspruchshaltungen – Gewaltsituationen im Gesundheitswesen im gesellschaftlichen Wandel“. Die gefühlte Zunahme von Aggression und Gewalt sei die Folge einer zunehmenden Fokussierung darauf beziehungsweise einer Sensibilisierung sowie ein Wandel der modernen Gesellschaft hin zu einer „Opferkultur“, so der Experte.
Im zweiten Fachblock fragten Dr. Peter Mudra, Professor für Personalmanagement und Personalentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, und Jens Leyh vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation Stuttgart nach Unterstützungsmöglichkeiten für die Beschäftigten im Pflegebereich durch eine wertschätzende und motivierende Unternehmenskultur. „Wertschätzung durch die Personaldirektion steigert nicht nur das Commitment und die Motivation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern wirkt sich auch positiv auf die physische und psychische Gesundheit aus“, fasste Mudra die Ergebnisse aktueller Studien zum Thema zusammen. Anschließend zeigte Innovationsmanager Jens Leyh am Beispiel „buurtzorg“ den Zusammenhang von Innovation, Komplexität, Ambidextrie, Regelbruch und Würde als inneren Kompass auf und überlegte, wie Innovation in der Pflege geschaffen und inwieweit eine Mensch-Technik-Interaktion dabei hilfreich sein könnte.
In den Nachmittag startete die Veranstaltung dann mit einem Vortrag von Tagungsorganisatorin Andrea Kuhn vom Forschungsnetzwerk Gesundheit der Hochschule. Unter dem Titel „Pflegeethik und Gesundheitsförderung – neue Perspektiven für Pflegekammern“ stellte die Pflegewissenschaftlerin Ergebnisse ihrer Forschungen zum Thema in Auszügen vor: „Gesundheit ist ein Menschenrecht. Pflegekammern sind gesetzlich verantwortliche Körperschaften für die pflegerische Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Die Kammermitglieder setzen diese politische Verpflichtung um. Deshalb trägt die Kammer die Verantwortung für Gesundheit und Wohlbefinden der Pflegefachpersonen. Im Sinne der „Sorge für die Sorgenden“ muss ethisch gute, gesundheitsfördernde Pflegearbeit in allen Bereichen das Ziel sein“, so Kuhn.
Der Beitrag „Ethische Resilienzförderung in der Pflege – Erfahrungen aus klinisch-ethischer Sicht“ von Professor Dr. Settimio Monteverde, Dozent für Pflege- und Gesundheitsethik an der Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit, und Co-Leiter der Klinischen Ethik am Universitätsspital Zürich komplettierten mit dem Blick auf die Verhältnisse in der Schweiz das Großthema „Pflegeethik als Ressource in der Praxis.“ „Versteht man unter ethischer Resilienz die Kraft einer Person, dem „Üblen“ zu widerstehen, so kennt der Pflegealltag viele Situationen, in denen eine solche Resilienz wünschbar ist: Das bewusste Täuschen oder gar Anlügen einer Patientin oder eines Patienten, die die Einnahme von Medikamenten verweigert, das Vorenthalten relevanter Informationen im Rahmen von Aufklärungsgesprächen aus Gründen des Zeitdrucks oder die fehlende Hinterfragung von etablierten Routinen, welche die Patientensicherheit in physischer und moralischer Hinsicht gefährden“, erklärte Monteverde einführend. Der dadurch entstehende moralische Stress könne durch Resilienzförderung verringert werden, zum Beispiel durch unmittelbaren Zugang zu berufsspezifischer und interprofessioneller Ethikberatung, Ethikweiterbildung und Intervision, die organisationsethische Verankerung einer Kultur des „Speak up“ bei manifester Verletzung ethischer Standards sowie der kollegiale Umgang und die Wertschätzung der an der Versorgung beteiligten Professionen.
Im Anschluss widmete sich die Tagung unter dem Kapitel „Perspektiven für die Pflege“ dem Thema „Slow Care – Pflegebewegung in der Zeit: Die Heidelberger Pflegelehrerin und Pflegewissenschaftlerin Dr. Elke Müller stellte darin eine Kampagne des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) Südwest e.V. vor, die die eigentlichen Potentiale der Berufsgruppe der fachlich Pflegenden vor dem Hintergrund von Arbeitskräftemangel, Arbeitsverdichtung, Finanzierungsmängeln im System deutlich macht. SLOW steht dabei für Struktur, Langsamkeit, Orientierung und Weitsicht als wichtige Merkmale guter Pflege. Unter den Schlagworten „Sicher. Gesund. Miteinander“ erläuterte dann Dr. Christoph Heidrich, Referatsleiter Gesundheit im Betrieb, Abteilung Prävention der Unfallkasse Rheinland-Pfalz Zielsetzung und Ausgestaltung der Kampagne „kommmitmensch“ der Unfallversicherungsträger. Vor dem Hintergrund des immer größer werdenden Fachkräftemangels im Pflegebereich und der dadurch mit verursachten überdurchschnittlich hohen physischen wie psychischen Gesundheitsbelastung der Pflegefachpersonen wollen die Unfallversicherungsträger eine Kultur der Prävention befördern mit den Handlungsfeldern Führung, Kommunikation, Beteiligung, Fehlerkultur, Betriebsklima sowie Sicherheit und Gesundheit.
In der letzten Session fassten Alexandra Brecht-Klintworth, BGW Mainz, und Andrea Bergsträßer von der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz die Ergebnisse der Diskussionsrunden zusammen. Sie spürten abschließend der Frage nach, ob es sich bei der viel zitierten „Kultur der Gesundheit und Sicherheit“ um Realität oder eine Vision handele? Festzustellen war, dass es zwar viele gute Ansätze gibt, deren Umsetzung jedoch oft an der harten Realität scheitert. Für die Zukunft gilt, nicht zu verzweifeln, sondern jeden Tag die Umsetzung eines kleinen Bausteines in Angriff zu nehmen und innovative Lösungen zu finden, damit eine Kultur der Gesundheit bald Realität wird.
Für die Tagung selbst zog Organisatorin Andrea Kuhn, die auch als Moderatorin durch den Tag führte, abschließend eine zufriedene Bilanz: „Die Anmeldezahlen haben unsere Erwartungen übertroffen – die Veranstaltung war voll ausgebucht. Auch die Internationalität der Referentinnen und Referenten mit Beispielen aus dem Pflegealltag in der Schweiz oder Holland war für uns ein großes Glück. Das offene Diskussionsformat fand großen Anklang und die Rückmeldungen der Gäste waren durchweg positiv“, freute sich Kuhn.
Das gute Feedback, auch von Seiten des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, bestärkt das Forschungsnetzwerk Gesundheit und die Kooperationspartner, die Veranstaltungsreihe im nächsten Jahr fortzusetzen. Aufbauend auf den diesjährigen Erkenntnissen soll im Frühling 2020 dann das Thema „gelingender Praxistransfer“ in den Blick genommen werden. Für die diesjährige Veranstaltung ist ein Tagungsband angedacht.
Abstracts der Tagungebeiträge finden Sie hier
Impressionen von der Tagung finden Sie auf unserer Facebookseite
Fachkontakt:
Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen
Andrea Kuhn
Koordinatorin Forschungsnetzwerk Gesundheit
Tel. 0621/5203-244
E-Mail: andrea.kuhn@ 8< SPAM-Schutz, bitte entfernen >8 hwg-lu.de