Ein Jubiläum: Am 08. Oktober 2020 fanden die 10. Finanzgespräche statt. Und doch war nichts wie gewohnt. In Corona-Zeiten zogen die Finanzgespräche von der Aula der Hochschule in einen großen Vorlesungssaal, in dem die Plätze mit weiten Abständen verteilt werden konnten. So durften sich rund 80 Zuhörer einfinden, nur rund ein Viertel der sonst üblichen Besucher. Zudem war die Gastreferentin Monika Müller von FCM Coaching per Video für ihre Vortragsteile zugeschaltet. Schließlich entfiel das allseits so geschätzte Beisammenstehen und Austauschen nach der Veranstaltung. So waren die 10. Finanzgespräche in vielerlei Hinsicht besonders. Das Resümee lautet jedoch: Mit Engagement und Disziplin haben alle Beteiligte eine wissenswerte, humorvolle und gelungene Veranstaltung erlebt.
Veranstaltungsinitiator Prof. Dr. Hartmut Walz vom Fachbereich Dienstleistungen und Consulting bedankte sich daher bei allen Beteiligten für die gute Organisation und das mittlerweile schon übliche coronakonforme Verhalten der Teilnehmer. Und das, obwohl das Erleben und Empfinden von Risiken nachweislich sehr subjektiv ist.
Damit war er auch direkt im Thema: „Ihr Geld und das Risiko – Zusammenspiel von Intuition, Ratio und Emotionen“ - so lautete der Titel dieser Finanzgespräche. Die Gastreferentin Monika Müller, Dipl.-Psychologin und Gründerin von FCM Finanz Coaching in Wiesbaden, plädierte überzeugend und gestützt auf diverse wissenschaftliche Studien dafür, bei Finanzentscheidungen drei Dinge einzubeziehen: Ratio, Gefühle (Emotionen) und Intuition. Die ideale Finanzentscheidung ist die aufgeschobene intuitive Entscheidung, davon ist sie überzeugt. Müller zeigte zwei zentrale Dimensionen auf, wie wir finanzielle Risiken definieren, verstehen und erleben. Zum einen sollte sich jeder klar darüber werden, ob er Risiko nur einseitig, als Schaden, wahrnimmt oder zweiseitig, als Gewinn- und Verlustmöglichkeit. Zum anderen ist wichtig, ob wir Risiko schicksalhaft, sozusagen als „gottgegeben“ ansehen oder als selbst gestaltbar. Bei Paarentscheidungen, aber auch im Gespräch zwischen Kunde und Finanzberater ist es wichtig, sich gegenseitig die jeweilige Definition von finanziellem Risiko bewusst zu machen. Sonst redet man wunderbar aneinander vorbei, so bestätigte Müller aus ihrer Coaching-Praxis.
Walz ergänzte, Risiko ist relativ - und bot zwei weitere Überlegungen. Er empfahl zum einen, sich zu fragen: Messe ich Verlust und Gewinn in nominellen Größen (Geld, Währung) oder realen Größen (Tassen Cappuccino, Kilo Kartoffeln)? Zum anderen: Wächst oder sinkt mein finanzielles Risiko über die Zeit? Während sich beispielweise Kursrisiken von Aktien oder Fonds mit wachsendem Zeithorizont relativieren, steigt das Inflationsrisiko sowie das Ausfallrisiko mit wachsender Dauer an. Das gilt übrigens auch für Lebensversicherer, meinte Walz. Dabei hinterfragte er eindrücklich, was z.B. nominelle Beitragsgarantien bei Riester- und Rürup-Verträgen tatsächlich wert seien. Hier streben die Kunden nach Sicherheit, erhalten jedoch garantiert das Inflationsrisiko und sogleich noch das Vehikelrisiko (Gefahr der Insolvenz oder Schieflage des Versicherers) dazu.
Zusätzlich gab Walz den Zuhörern die wertvolle Unterscheidung zwischen Deep Risk und Shallow Risk zu bedenken, also die Unterscheidung in schwerwiegende, langfristig und unumkehrbar wirkende Risiken einerseits und nur vorübergehende und nicht existentielle Risiken andererseits. Schwankende Aktien- und Währungskurse zählte Walz zu diesen oberflächlichen Risiken, von denen wir uns nicht verrückt machen lassen sollen. Was schwankt, lebt und was sich biegt, das bricht nicht. Wir sollten unser Augenmerk besser auf die fünf Deep Risk konzentrieren, nämlich Inflation, Deflation, Zerstörung, Enteignung oder Insolvenz. Hier lauern die tatsächlichen finanziellen und wirtschaftlichen Gefahren.
Im zweiten Teil ihres Vortrags ging Müller auf die finanzielle Risikobereitschaft als Persönlichkeitsmerkmal ein. Sie zitierte die allseits anerkannte Definition finanzieller Risikobereitschaft als das Ausmaß, in dem eine Person negative Konsequenzen (Verluste) in Kauf nimmt, um ein positives Ergebnis (Gewinne) zu erreichen. Müller betonte, dass Finanzentscheidungen besser werden, wenn wir unsere Risikobereitschaft kennen und nicht gegen diese handeln. Wir fühlen uns wohler mit unseren Finanzentscheidungen und wir halten sie auch durch (z.B. steigen wir bei einem Aktiencrash nicht gleich aus), je mehr sie unserer eigenen Risikobereitschaft entsprechen. Nur so ist eine langfristige, robuste Anlagestrategie möglich.
Ohne die übliche lockere Pause ging es dann sogleich in die beliebte Fragerunde mit den Zuhörern. Eloquent, präzise und mit Augenzwinkern reagierte Walz auf die Überlegungen aus dem Publikum. Dabei nahm er immer wieder Bezug auf Monika Müller in Wiesbaden. Am Ende anerkannte Walz das überschaubare Risiko, welches die Teilnehmer mit ihrer Anwesenheit an diesem Abend eingegangen sind und wünschte allen eine gesunde Zeit.
Die Finanzgespräche an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen sind eine unabhängige neutrale Informationsreihe für die interessierte Öffentlichkeit. Sie finden zweimal jährlich unter Leitung von Professor Dr. Hartmut Walz finden statt. Walz lehrt Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Ludwigshafen; sein Spezialgebiet ist die Schnittstelle zwischen Ökonomie und Psychologie. Er ist Autor mehrerer Fachbücher, so „Ihre Finanzen fest im Griff“ sowie „Einfach genial entscheiden im Falle einer Finanzkrise“, beide im HAUFE-Verlag erschienen. Zudem betreibt Walz den unabhängigen und kostenfreien Hartmut Walz Finanzblog.
Die nächsten Finanzgespräche finden am 22. April 2021 um 19.00 Uhr in der Aula der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen am Rhein als provokante Podiumsdiskussion mit dem Titel „Die Bank gewinnt immer!(?)“ statt. Zu Gast: Dr. Gerhard Schick, Gründer und Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende e.V. Anmeldungen unter: Finanzgespraeche@hwg-lu.de.
Bildquellen: Prof. Dr. Hartmut Walz © privat
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Fachbereich Dienstleistungen und Consulting
Prof. Dr. Hartmut Walz
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