Cultural Environment. Ein Fach im 1. Semester des Studiengangs Internationales Marketing Management, das durch Dr. Manuel Vermeer vom Ostasieninstitut gelehrt wird. Aufgrund seiner besonderen, auch familiären Beziehung zum asiatischen Raum (Dozent am OAI und Sohn einer Inderin), rückten Länder wie Indien zunehmend in den Fokus unserer Vorlesung. Da unser Masterkurs bis dahin aus 18 Studierenden bestand, die sich noch nicht sonderlich gut kannten, wurde über „Kennlernveranstaltungen“ abseits der Vorlesung beratschlagt. Als ein Kommilitone mehr im Spaß rief: „Eine Exkursion! Nach Indien!“, machte sich Grinsen in den Gesichtern breit. Jeder hatte zunächst Klischees über das Land wie Bollywoodfilme, Armut, Dreck sowie mangelnde Sicherheit im Kopf, die manch einer auch aus dem Film „Slumdog Millionaire“ zu kennen schien. Die Idee, welche sich zunächst als Spaß verstand, entpuppte sich zunehmend als einmalige Möglichkeit, mit Dr. Vermeer in Begleitung eines Landeskundigen ein vollkommen neues Land zu bereisen. Dieser zeigte sich sofort äußerst bereitwillig, uns seine 2. Heimat näherzubringen. Auch unsere Studiengangleiterin Prof. Dr. Edith Rüger-Muck war von Anfang an begeistert und erklärte sich bereit, die Reise mit zu begleiten, da es das Ziel des Masterstudiengangs ist, die Internationalität und auch den Zusammenhalt des Kurses durch gemeinsame Aktivitäten außerhalb der Vorlesungen zu fördern. Nicht jeder konnte sich eine solch exotische Exkursion vorstellen und so hieß es dann für die 12 finalen Reiseteilnehmer am 26.01.2019: „Auf geht’s nach Indien!“ (S. Birkhofer)
26./27. Januar 2019. Die Koffer sind gepackt und das Nackenkissen für den achtstündigen Flug an den Rucksack gespannt. Von Frankfurt flogen wir direkt nach Mumbai. Um 00:30 Uhr Ortszeit erreichten wir den Flughafen Mumbai. Trotz der Bedenken über die Funktionalität des E-Visums hatten wir keine Probleme bei der Einreise. Vom Terminal fuhren wir mit unserem Guide Viren per Bus direkt zum Hotel. Hupen und der Fahrstil „Mut zur Lücke“ begleitete unsere Fahrt. Für die Zeit in Mumbai waren wir im Gordon House Hotel untergebracht, welches sich unweit vom Gateway of India und dem Taj Mahal Tower Hotel befindet. Die Zimmer waren sauber und das Personal sehr aufmerksam – nach Aussage unseres Dozenten kann es auch manchmal etwas anders aussehen. Dennoch mussten wir uns in der ersten Nacht an die Geräuschkulisse gewöhnen. 22,8 Millionen Einwohner in Mumbai sind eben kaum ein Vergleich zu den Städten in Deutschland. Der nächste Morgen begann mit einem indischen Frühstück: Rührei Masala mit Chili und Koriander und dazu einen Mango Lassi, um die Schärfe des Rühreis auszugleichen. Ab 14:00 Uhr startete unsere Tour zu den Dharavi Slums. Auf dem Weg dorthin lernten wir nicht nur, über die Straßen von Mumbai zu gehen (im wahrsten Sinne des Wortes), sondern auch viel über die Kultur und das Leben in Indien. Nach Aussage unseres Guides gelten Straßenampeln und Fußgängerüberwege in Indien nur als Discolichter. Das Motto: Einatmen, ausatmen, Hand raus und laufen ggfs. auch einmal nach rechts und links schauen. Hört sich für deutsche Verhältnisse doch etwas lebensmüde an – in Mumbai aber der einzige Weg die Straße zu überqueren. Die Dharavi Slums stellten unsere Vorstellungen eines Armenviertels völlig auf den Kopf. Der Slum zählt zu den produktivsten Slums aus Mumbai und laut Schätzungen umfasst dieser die höchste Bevölkerungsdichte der Welt. Ganz nach dem Leitsatz „time is money“ wurden an jeder Straßenecke kleinere Manufakturen und Geschäfte für Lebensmitteln, Kleidung, Lederwaren bis zu Imbissständen eröffnet. Zugegeben, der erste Eindruck ist von Mitleid getrübt, wenn man dies mit den Lebensstandards in Deutschland vergleicht. Doch wirft man einen Blick über den eigenen Tellerrand, erkennt man, dass wir noch viel von Indien lernen können. (M.-L. Uibel)
28. Januar 2019. Der Programmpunkt des heutigen Tages sah eine Zugfahrt von der Churchgate Station zur Mahalaxmi Station vor, um die Freiluft Wäscherei Dhobi Ghat zu besuchen. An und für sich ist eine Zugfahrt nichts Spektakuläres, jedoch ein Zugticket auf Hindi zu kaufen und in Zügen zu stehen, die keine Türen haben, sodass man bei Einfahrt in die nächste Haltestelle bei noch rollendem Zug aussteigen kann, ist eine Besonderheit, die wir so noch nie erlebt haben. Angekommen in der Wäscherei Dhobi Ghat erkundeten wir, wie unter freiem Himmel die Wäsche von Hotels, Krankenhäusern oder die neueste Mode der Modemarken von Hand gereinigt wurde. Vom Waschen, über das Bügeln und Sterilisieren ist hier alles möglich. Mittags ging es dann gemütlicher zu und wir erkundeten bei strahlendem Sonnenschein vom Gateway of India (dem Landungspunkt der Schiffe in Mumbai) aus den Hafen mit einer Bootstour. (B. Baumann)
29. Januar 2019. Früh am Morgen ging es für uns los. Wir wurden um Punkt 7 Uhr mit einem kleinen Reisebus vor unserem Hotel abgeholt. Es ging in den knapp 40km entfernten Sanjay-Gandhi-Nationalpark, ein fast 70km2 großer grüner Fleck mitten in der knapp zehnmal so großen Millionenstadt Mumbai. Kurz bevor es in den Dschungel ging, gab es in einem kleinen Street-Food Imbiss vor dem Eingang des Parks noch eine Runde Masala Chai für alle. Begleitet von zwei Guides, fuhren wir auf einfachen Mountainbikes im ersten und auch einzigen Gang durch den Nationalpark. Alle waren überrascht von der plötzlichen Stille, die uns ereilte, je tiefer wir in den Urwald kamen. Das Ziel unserer „Tour de Mumbai“ war ein gigantisches Bauwerk in mitten des Parks: die Kanheri Höhlen. Diese wurden von buddhistischen Mönchen im 4. Jh. v. Chr. als heiliges Pilgerziel erbaut. Unsere knapp 7 km lange, abwechslungsreiche Fahrt vom West-Eingang bis zu den Höhlen, wurde von einer bunten Tiervielfalt, sowie einer kleinen zurückgezogenen Dorfgemeinde bereichert und schloss mit einem etappenwürdigen Bergaufstieg ab. Der unvergleichliche Ausblick vom Gipfel des Tempelberges versetzt uns allesamt ins Staunen. Nach einer kurzen Sonnenpause machten wir uns auf, die Höhlen im Inneren des Berges zu entdecken. Neben einigen Fresken und in die Wand gemeißelten Statuen befanden sich dort auch zwei 16m hohe Stein-Buddhas. Diese haben einen bedeutenden historischen Wert, da die einzigen äquivalenten Statuen aus dieser Epoche in Pakistan einem terroristischen Anschlag zum Opfer gefallen sind. Nach der mehrstündigen Erkundungstour fuhren wir den Berg wieder ganz entspannt hinunter. Letztlich war dies eine sehr beeindruckende Exkursion, die uns trotz der körperlichen Anstrengung geholfen hat, neue Kraft für den Rest der Woche zu schöpfen. Leider sind sich viele Menschen aus und um Mumbai nicht über die Bedeutung dieses besonderen Ortes bewusst. Die beauftragten Behörden sind jedoch bemüht mehr Aufmerksamkeit für die Geschichte des Parks zu schaffen und seine Rolle als grünen Rückzugsort in Mitten der Stadt zu festigen. (N. Thoma)
30. Januar 2019. An Tag 4 haben wir zuerst eine Ausbildungsstätte für Frauen besucht. Das Gelände ist im Besitz von Dr. Vermeers Familie und bietet die Möglichkeit sich auf verschiedene Arten weiterzubilden und somit durch eine zusätzliche Einkommensmöglichkeit unabhängiger zu werden. Die Ausbildungsstätte ermöglicht den Frauen auch mal etwas für sich selbst zu tun und auf sich selbst zu achten, anstatt ausschließlich für die Familie da zu sein und das Leben komplett danach auszurichten. Neben der Ausbildung zur Kosmetikerin und zur Schneiderin werden am Wochenende Sportkurse für Kinder und Frauen angeboten. Wir haben einen Kosmetikkurs besucht und uns mit dem Teilnehmerinnen unterhalten. Diese waren alle sehr herzlich und sind glücklich über diese Möglichkeit. Jede einzelne hatte genaue Vorstellungen von Ihrer Zukunft und den Ehrgeiz Ihr Ziel zu erreichen. Es war sehr beeindruckend einzelne Geschichten zu hören und auch die Gründe, warum sie sich für diesen Weg entschieden haben. Den Nachmittag haben wir mit dem Besuch eines Tempels verbracht, wo wir eine Kuh fütterten und an einer hinduistischen Zeremonie teilnahmen. Hierbei erhielten alle einen traditionellen roten Punkt auf die Stirn und während eines kurzen Gebetes wurde für unsere Sicherheit und die unserer Familien gedacht. Am Ende erhielten wir alle ein Band um unser Handgelenk, welches uns beim Aufsagen eines Ritus in Hindi angelegt wurde. Sobald das Armband von allein abfällt, geht der eigene Wunsch in Erfüllung. An diesem Tag ereignete sich ein weiteres Highlight: Ein Kommilitone ließ sich von einem indischen Friseur noch spontan die Haare schneiden. Wir waren alle gespannt auf das Ergebnis und wurden nicht enttäuscht! Die Frisur saß perfekt! (L. Wölke)
31. Januar 2019. Nach vier Tagen voller Programm kam an Tag fünf erstmalig die Möglichkeit den Großteil des Tages zu ruhen, hatten wir ohnehin eine einwegig dreistündige Fahrt nach Pune vor uns. Dort war es uns, dank den Kontakten von Dr. Vermeer, möglich einen Produktionsstandort der deutschen Leoni AG, die vorwiegend Kabel für Informationstechnik und Infrastrukturprojekte produziert, zu besichtigen. Wir wurden herzlich empfangen, das Unternehmen wurde von einem Mitarbeiter mittels einer Präsentation kurz vorgestellt, anschließend besichtigten wir die Produktion und hatten Zeit zahlreiche Fragen zu stellen. Auch der Austausch mit einem Mitglied des Senior Managements wurde uns ermöglicht. Insbesondere interkulturelle Fragen aus der einem gegengesetzten Blickwinkel mit viel Praxiserfahrung beantwortet zu bekommen, war eine tolle Gelegenheit, zu reflektieren und zukünftig sensibilisierter zu sein. Den Tag ließen wir mit einem gemeinsamen Abendessen ausklingen. Überraschend für alle war, dass wir den Zeitplan nahezu perfekt einhalten konnten, was in Indien keineswegs selbstverständlich ist. (V. Scheer)
01. Februar 2019. Am vorletzten Tag unserer Reise ging es für uns vormittags ins Goethe-Institut, welches in Mumbai auch unter dem Namen Max Mueller Bhavan bekannt ist, benannt nach dem deutsch-englischen Indologen Friedrich Max Mueller. Bei einer gemütlichen Gesprächsrunde mit der deutschen Leiterin und drei indischen Lehrerinnen erfuhren wir, dass es sich das Institut zur Aufgabe gemacht hatte, die Kenntnis der deutschen Sprache und Kultur zu fördern. Es kommen besonders häufig junge Erwachsene ins Institut, um sich auf ein Masterstudium in Deutschland vorzubereiten, erklärten uns die Lehrerinnen. Aber auch Familien, bei denen ein Elternteil in Deutschland einen Job antritt, werden mit der deutschen Kultur vertraut gemacht. Dabei geht es laut den indischen Lehrerinnen vermehrt darum, die eigene Kultur zu reflektieren und eine Sensibilität für die deutschen Kultur aufzubauen. Trotzdem werden Kursteilnehmer eines interkulturellen Seminars natürlich beispielsweise auf die deutsche Pünktlichkeit vorbereitet. Am Nachmittag erkundeten wir auf eigene Faust die Gegend rund um den bekannten Crawford Market. Hier konnte man alles kaufen, was das Herz begehrt. Da die meisten von uns tolle Gewürze mit nach Hause nehmen wollten, ließen wir uns von Händlern Verschiedenes zeigen und versuchten unsere Verhandlungskünste anzuwenden, bis wir schließlich mit vollen Taschen die Markthalle verließen. Den Tag beendeten wir mit einem gemeinsamen Besuch des Strandes, um die Sonne hinter den Hochhäusern von Mumbai unter gehen zu sehen, was ein gelungener Abschluss des vorletzten Tages für uns alle war. (S. Kurtz)
02. Februar 2019. Am letzten Tag unserer Mumbai-Exkursion besuchten wir nach dem Check-Out gemeinsam den Bombay Store und anschließend in Einzelgruppen die Straßenstände und kleinen Geschäfte in der Nähe unserer Hotels. Am Nachmittag versammelten wir uns alle im Taj Hotel für ein letztes gemeinsames Getränk und ließen die Reise Revue passieren. Während Sabrina sich mit unserem Guide Viren traf, um einen traditionellen katholischen Gottesdienst zu besuchen, besuchte der Rest der Gruppe noch einmal das Restaurant Bombay Vintage, in welches sie im Anschluss dazu stieß. Um 21 Uhr wurden wir von Viren und dem Reisebus abgeholt, zum Flughafen gebracht und herzlich verabschiedet. (H. Bucher)
Nach 7 Tagen in Mumbai landeten wir dann überwältigt von zahlreichen Eindrücken wieder in Frankfurt. Während der finalen Feedback-Runde am letzten Abend wurde schnell deutlich, dass viele Klischees, die wir vor Reiseantritt hatten, im Laufe der Woche relativiert wurden oder sogar ganz verflogen sind. Wir alle waren positiv überrascht über die Herzlichkeit, mit welcher uns die Einheimischen begegneten. Besonders die Dankbarkeit, mit welcher die Familien in den Slums ihr Leben bestreiten und die Freude, mit der uns die Kids dort auf ein kurzes Cricket-Spiel einluden, machte uns eindrucksvoll deutlich, dass Wohlstand nicht automatisch der Schlüssel zum Glück ist! Auch fühlte sich zu keinem Zeitpunkt jemand unserer Gruppe unsicher. Natürlich stellten wir als „Westler“ Exoten für die Inder dar, die sich ganz gerne auch mit uns fotografierten. Hiernach wurde man aber stets höflich gefragt. Auch der vorsorgliche Vorrat an Kohletabletten durfte wieder zurück nach Deutschland; dank unseres Dozenten durften wir jeden Abend in gemütlichen Restaurants die wirklich sehr leckere indische Küche genießen. So geht an dieser Stelle ein ganz besonderer Dank an Dr. Manuel Vermeer, der für uns solch ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt hat. Vielen Dank auch an unsere Studiengangleiterin Prof. Dr. Edith Rüger-Muck, die uns bei allen Touren begleitet und immer ein offenes Ohr für uns hatte! Mumbai war für uns alle ein unvergessliches Erlebnis, das uns als Kommilitonen in besonderer Weise noch näher zusammengerückt hat. (S. Birkhofer)