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Steckbrief: Berufstätige

Jutta Rump; Imke Buß; Janina Kaiser; Melanie Schiedhelm; Petra Schorat-Waly

Definition und Ausgangslage
Berufstätigkeit ist eine außerhochschulische Verpflichtung, die die meisten Studierenden betrifft. Laut der 20. Sozialerhebung waren im Sommersemester 2012 62% der Studierenden während der Vorlesungszeit erwerbstätig (Middendorff et al. 2013). Diese Zahlen spiegeln sich auch an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen wider. Von den Vollzeit-Studierenden gaben zwei Drittel an, parallel zum Studium einer Berufstätigkeit nachzugehen (Bachelorstudierende: 49%, Masterstudierende: 75%). 11,1% arbeiten dabei mehr als 20 Stunden pro Woche (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2015a). Doch warum sind Studierende berufstätig? Neben der Finanzierung des Lebensunterhalts möchten viele Studierende von ihren Eltern unabhängig sein oder praktische Erfahrung für den späteren Beruf sammeln. Das Studienbarometer der Hochschule zeigt außerdem, dass 65% der erwerbstätigen Studierenden ihren Verdienst zur direkten Finanzierung des Studiums einsetzen (Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen 2015b).

Der „Normalstudierende“ verfügt im Monat über 864 EURO und erreicht somit ein vergleichbares Durchschnittseinkommen eines Auszubildenden (2015: 832 EUR/ Westdeutschland bzw. 769 EUR/Ostdeutschland, (Bundesinstitut für Berufsbildung 2016)).

Auswirkungen auf Studiensituation und Studienerfolg
Sind Studierende neben dem Studium berufstätig, bedeutet dies zunächst eine zeitliche Einschränkung. Dies zeigt sich auch in der Einschätzung der Vereinbarkeit, die von berufstätigen Studierenden schlechter eingeschätzt wird und mit dem Umfang der Berufstätigkeit sinkt (Buß 2016). Auch die Studienzufriedenheit ist bei Studierenden mit einer Berufstätigkeit von mindestens 19 Stunden geringer (Brandstätter und Farthofer 2003). Diese Studierendengruppe hat insbesondere Schwierigkeiten bei dem Besuch von zeitlich unpassend liegenden Lehrveranstaltungen und dem Aufbringen von Selbstlernzeit (Nienhüser et al. 2000). Doch Berufstätigkeit bringt nicht nur Schwierigkeiten mit sich. Broadbridge und Swanson (2006) zeigen, dass Studierende sich durch Berufstätigkeit nützliche Kompetenzen in Bereichen der Kommunikation, des Zeitmanagements und der Selbstdisziplin aneignen. Studienerfolg wird häufig an Abschlussnoten oder dem erfolgreichen Hochschulabschluss gemessen. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Berufstätigkeit diese Faktoren beeinflusst. Sprietsma (2015) zeigt anhand des Nationalen Bildungspanels in Deutschland, dass eine Berufstätigkeit von bis zu 15 Stunden einen positiven Effekt auf Noten hat. Andere Studien weisen auf leicht schlechtere Noten bei einer hohen Berufstätigkeit von mehr als 19 Stunden hin (Brandstätter und Farthofer 2003). Ergebnisse der HIS-Absolventenbefragung 2007/2008 machen deutlich, dass finanzielle Schwierigkeiten einer der Abbruchgründe des Studiums sind (In 2008 für 19 % der ausschlaggebende Abbruchgrund). Berufstätigkeit ist in diesem Kontext zwar kein Abbruchgrund, fließt aber bei der Abwägung für oder gegen den Verbleib an der Hochschule mit ein (Heublein et al. 2010).

Um berufstätige Studierende zu unterstützen, sind insbesondere Maßnahmen zur zeitlichen und örtlichen Flexibilisierung interessant. So zeigen Ergebnisse einer Befragung der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, dass diese Gruppe 3,4 Prozentpunkte mehr E-Learning wünscht (ca. 27%) (Buß 2016). Die gute Planbarkeit verbunden mit einem angemessenen Umfang von Präsenzzeiten unterstützt die Vereinbarkeit von Studium und Beruf.

Literatur
Brandstätter, H.; Farthofer, A. (2003): Einfluss von Erwerbstätigkeit auf den Studienerfolg. In: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O (47 (3)), S. 134–145.

Broadbridge, A.; Swanson, V. (2006): Managing two roles. A theoretical study of students’ employment whilst at university. In: Community, Work, Family (9 (2)), S. 159–179.

Buß, I. (2016): Unveröffentlichte Ergebnisse einer Studierendenbefragung im Rahmen des Vorhabens Offenes Studienmodell Ludwigshafen. Ludwigshafen.

Bundesinstitut für Berufsbildung (2016): Datenbank Ausbildungsvergütungen. Online verfügbar unter www.bibb.de/de/12209.php, zuletzt geprüft am 25.04.2016.

Heublein, U.; Hutzsch, C.; Schreibner, J.; Sommer, D.; Besuch, G. (2010): Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor- und in herkömmlichen Studiengängen. Ergebnisse einer bundesweiten Befragung von Exmatrikulierten des Studienjahres 2007/08. 2. Aufl. Hannover: HIS Hochschul-Informations-System GmbH. Online verfügbar unter www.dzhw.eu/pdf/pub_fh/fh-201002.pdf, zuletzt geprüft am 26.04.2016.

Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen (2015a): Studiengangsbefragung. Internes Dokument. Ludwigshafen am Rhein.

Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen (2015b): Studierendenbarometer. Hochschulweite Studierendenbefragung. Wintersemester 2014/2015. Unveröffentlichtes Dokument. Unter Mitarbeit von Keller, A. Evaluationsbeauftragte der Hochschule. Ludwigshafen am Rhein.

Middendorff, E.; Apolinarski, B.; Poskowsky, J.; Kandulla, M.; Netz, N. (2013): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012: 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Online verfügbar unter www.sozialerhebung.de/download/20/soz20_hauptbericht_gesamt.pdf, zuletzt geprüft am 25.04.2016.

Nienhüser, W.; Becker, C.; Jans, M. (2000): Studentische Erwerbstätigkeit und Teilzeit-Studium: Erste Ergebnisse einer schriftlichen Befragung aller Studierenden der Wirtschaftswissenschaften an der Universität GH Essen. Essen. Online verfügbar unter www.uni-due.de/apo/TZ-Bericht.pdf, zuletzt geprüft am 05.11.2014.

Sprietsma, M. (2015): Student employment: advantage or handicap for academic achievement? Diskussionspapiere, 15-085. ZEW.

Zitation
Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra (2017): Steckbrief: Berufstätige Studierende. In: Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra: Toolbox für gute Lehre in einer diversen Studierendenschaft. Arbeitspapiere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Nr. 6. www.hwg-lu.de/arbeitspapiere

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