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Diversity Management an deutschen Hochschulen

Jutta Rump; Imke Buß; Janina Kaiser; Melanie Schiedhelm; Petra Schorat-Waly

Der Begriff „Diversität“ (bzw. englisch Diversity) steht für die Unterschiedlichkeit von Menschen hinsichtlich sichtbarer und nicht-sichtbarer Merkmale wie Geschlecht, Nationalität, Kultur, unterschiedliche Altersgruppen, Weltanschauung, Religion, sexuelle Orientierung sowie Menschen mit Handicap. Diversität Management findet in zunehmendem Maße Eingang in deutsche Hochschulen. Der aus den USA stammende Ansatz verbreitete sich von großen internationalen Unternehmen ausgehend seit den späten 1990er Jahren in Deutschland. Beim Diversitätsmanagement-Ansatz handelt es sich im Wesentlichen um ein strategisches Handlungsfeld, das darauf abzielt, die unterschiedlichen Erfahrungen, Kompetenzen, Bedürfnisse und Positionen der Menschen zu nutzen, um Vielfalt zu managen und in institutioneller Perspektive handlungsfähig zu sein (Linde und Auferkorte-Michaelis 2013). Die strategische Ausrichtung der deutschen Diversity-Konzepte kann aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden: zum einen aus der ökonomisch orientierten „Business-Perspektive“ und zum anderen aus der (menschen-)rechtlich orientierten „Equity-Perspektive“ (Krell 2009). Linde und Auferkorte-Michaelis (2013) stellen fest, dass in der Praxis der Hochschulen jeweils entsprechende Maßnahmen in einem Balanceakt gemeinsam gedacht oder auch das eine zur Werbung für das andere herangezogen werden. Mittlerweile ist Diversität an Hochschulen mehr als Bestandteil der Personalpolitik. Sie ist „nicht nur Forschungsgegenstand unterschiedlicher Disziplinen wie beispielsweise der Betriebswirtschaftslehre, der Politikwissenschaft oder der Soziologie, sondern die Diversity Konzepte der Hochschule selbst sind Gegenstand der Hochschulforschung und -entwicklung und des -wettbewerbs geworden (ebd., S. 2 f.).

Die institutionelle Einbettung des Diversity Management in die Strukturen der deutschen Hochschulen ist sehr vielfältig. Das Thema wird angesiedelt bei den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (z.B. Universität Frankfurt), in Prorektoraten mit ihnen zugeordneten Referentinnen und Referenten (z.B. UDE Essen), in eigenen für DiM zuständigen Abteilungen (z.B. PH Heidelberg) sowie vor allem in im Rahmen des Exzellenzprozesses eingerichteten Stabsstellen (z.B. RWTH Aachen), die verantwortlich sind, den Prozess des Managing Diversity konzeptionell vorzubereiten, zu unterstützen oder gemeinsam mit unterschiedlichen Hochschulakteuren umzusetzen (Leicht-Scholten 2012). Aufseiten der Wissenschaft wurden Professuren (z.B. TU Berlin), Pilotprojekte oder ganze Zentren (z.B. HU Berlin) eingerichtet (ebd.).

Eine Öffnung der Hochschule für neue, stark heterogene Zielgruppen sowie der konstruktive Umgang mit Ungleichheiten sind ein wichtiges politisches und gesellschaftliches Ziel im Hochschulbereich („Hochschule für alle“, HRK 2009), um chancengerecht Bildungserfolge zu ermöglichen. Der demographische Wandel, die Internationalisierung der Hochschulen, neue Qualifizierungsinitiativen und Konzepte für berufsbegleitendes Studieren sowie lebenslanges, wissenschaftliches Lernen fordern einen wertschätzenden Umgang mit Vielfalt in Studium und Lehre und machen die Diversity-Kompetenz zur wichtigen Ressource für die entsprechenden Konzeptionen im Hochschulbereich (Linde und Auferkorte-Michaelis 2013). Im Gegensatz zur gendergerechten Lehre wird die spezifische Perspektive auf Diversity in der Lehre bislang noch wenig umgesetzt. In der Ungleichheitsforschung gewähren die Arbeiten von Lars Schmitt und El-Mafaalani (zitiert nach Linde und Auferkorte-Michaelis 2013) Einblicke in Strukturkonflikte und in die verschiedenen Formen der sozialen Ungleichheit, die von Studierenden nicht-akademischer Herkunft im Hochschulbereich erlebt wird (ebd.). Buß (2010) und Spelsberg (2013), zitiert nach Linde und Auferkorte-Michaelis (2013) sind Autoren der wenigen hochschuldidaktisch-konzeptionellen Veröffentlichungen zur Diversity in Studium und Lehre (ebd.). Vielfalt bedeutet auch Komplexität, die oftmals zur Schaffung von Stereotypen und Konflikten führt. Diversität soll auf Unterschiede zwischen Menschen aufmerksam machen, ohne dass dies zur Kategorisierung von sozialen Gruppen und damit verbunden zu Stereotypisierungsprozessen und Konflikten führt. Laut Linde und Auferkorte-Michaelis (2013) spiegelt dies die Ambivalenz wider, die in diesem Konstrukt steckt: Studierende wollen einerseits in die akademische Gemeinschaft hineinpassen und nicht als “anders” wahrgenommen werden. Andererseits haben sie den deutlichen Wunsch, dass Lehrende sie als Individuen mit spezifischen Bedürfnissen, Interessen und Motivlagen adressieren. Wenn es Lehrenden gelingt, sich darauf einzustellen, wird dies durch ein nachhaltiges Engagement (“academic engagement”) der Studierenden mit den damit häufig einhergehenden Tiefenlernstrategien belohnt.

In der aktuellen bildungspolitischen Diskussion werden Diversität und der pädagogische Ansatz der Inklusion in einer sehr engen Verbindung gesehen (ebd.). Das weite Verständnis sowohl von Diversität als auch von Inklusion bedeutet für die Inklusion als Konzept des Umgangs mit Diversität, der Verschiedenheit von Lernenden im individuellen und institutionellen Umgang angemessen zu begegnen. Es bezieht sich nicht nur auf den gemeinsamen Unterricht von Menschen mit und ohne Behinderung, sondern setzt auf die Verschiedenheit aller Lernenden, die es gilt in geeigneter Weise zu berücksichtigen. Es geht damit nicht mehr nur um die vorrangige Betrachtung "nicht-traditioneller" Studierender oder spezieller Gruppierungen, die nach verschiedensten Kriterien kategorisiert werden können, sondern "towards understanding the nuanced experiences of all students within highly diverse student groups" (ebd., S. 5). Die Hinwendung zur Inklusion geht mit einem hohen Anspruch an den Umgang mit Diversität einher und fordert eine Anpassung des Systems selbst (ebd.). Für Hochschulen bedeutet dies, dass nicht mehr wie bisher eine einseitige Anpassungsleistung der Studierenden verlangt wird, sondern ebenfalls eine schrittweise Anpassung des Bildungsangebots an die Bedürfnisse der Studierenden stattfindet (ebd., S. 6).

Literatur
Hochschulrektorenkonferenz HRK, Die Stimme der Hochschulen (Hg.) (2009): Eine Hochschule für alle. Empfehlung der 6. Mitgliederversammlung am 21.4.2009 zum Studium mit Behinderung/chronischer Krankheit. Bonn. Online verfügbar unter www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-01-Beschluesse/

Entschliessung_HS_Alle.pdf, zuletzt geprüft am 08.12.2015.

Krell, G. (2009): Diversity Management: Chancengleichheit (nicht nur) als Wettbewerbsfaktor, 01.01.2009. Online verfügbar unter www.bremerforum-diversity.de/pdf/Prof.Dr.GertraudeKrell.pdf, zuletzt geprüft am 15.03.2017.

Leicht-Scholten, C. (2009): Diversity Management an deutschen Hochschulen–eine Annäherung. In: Hochschulrektorenkonferenz HRK, Die Stimme der Hochschulen (Hg.): Eine Hochschule für alle. Empfehlung der 6. Mitgliederversammlung am 21.4.2009 zum Studium mit Behinderung/chronischer Krankheit. Bonn, S. 8–12. Online verfügbar unter www.hrk-nexus.de/fileadmin/redaktion/hrk-nexus/07-Downloads/07-02-Publikationen/
nexus-Broschuere-Diversitaet.pdf, zuletzt geprüft am 08.12.2015.

Linde, F.; Auferkorte-Michaelis, N. (2013): Diversitätsgerecht Lehren und Lernen. Online verfügbar unter www.fbi.fh-koeln.de/institut/personen/linde/publikationen/
Diversitaetsgerecht_Lehren_und_Lernen_2013_11_20.pdf, zuletzt geprüft am 08.12.2015.

Zitation
Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra (2017): Diversität und Diversitymanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. In: Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra: Toolbox für gute Lehre in einer diversen Studierendenschaft. Arbeitspapiere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Nr. 6. www.hwg-lu.de/arbeitspapiere

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