Portfolio mit Lerntagebuch
Imke Buß; Jutta Rump; Janina Kaiser; Melanie Schiedhelm; Petra Schorat-Waly
a) Beschreibung
Ein Portfolio mit einem Lerntagebuch ist zunächst ein Arbeitsmittel für den Lernenden selbst. Es wird für die Dokumentation und Reflexion der gelernten Inhalte und der Herangehensweise eingesetzt. Neben der Reflexionsfunktion kann das Portfolio und ggf. das Lerntagebuch auch eine Prüfungsfunktion haben und am Ende des Semesters abgegeben werden. Wenn das Portfolio eine Prüfungsfunktion übernimmt ist es je nach Lernziel üblich, alle Texte aus dem Portfolio, aber nur durch Studierende ausgewählte Teile des Lerntagebuchs zu veröffentlichen.
Das Portfolio dient als eine Art „Sammelmappe“ von kleinen Arbeitsaufträgen, die durch die Lehrenden im Semesterverlauf zu mehreren Zeitpunkten den Studierenden gestellt werden. Thematisch handelt es bei Portfolioaufgaben i.d.R. um (wissenschaftliche) Texte, die zur Analysen von Fragestellungen verfasst werden. Mit dem Lerntagebuch können Studierende Lernziele für sich selbst festhalten sowie gegebenenfalls Veränderungen der eigenen Lernstrategien daraus ableiten. Es kann aber (u.a. bei der Betreuung von Selbstlernzeiten) durchaus auch als Beratungshilfe eingesetzt werden, mit der die Studierenden ihre Fragen an die Lehrenden schon vorstrukturieren können, und anhand dessen die Lehrenden erkennen können, wie die Studierenden den eigenen Lernprozess organisieren.
Ein Portfolio ist in vielen Fächern auch ein willkommener Anlass, das (wissenschaftliche) Schreiben zu üben – zunächst in Stichworten und Kurzartikeln, aus denen im Laufe der Zeit Stoffsammlungen für größere Werke, wie eine Bachelorarbeit o. Ä. entstehen können.
Wozu ist es gut?
Ein Portfolio ist immer dann besonders geeignet, wenn es beim Lernen um eigene Einstellungen geht, eigene Erfahrungen eine Rolle spielen und kritisches Hinterfragen wünschenswert ist. Durch das Lerntagebuch kann der eigene Lernprozess verbindlicher reflektiert und nachhaltiger gestaltet werden. Der Erfolg eines Lerntagebuches begründet sich darin, dass die wichtigsten Bestandteile des Lernstoffs in eigenen Worten (wichtig: nicht einfach abschreiben!) festgehalten werden. Dies vollzieht sich aber außerhalb der Mitschrift in der Lehrveranstaltung. Damit findet eine nochmalige intensive Auseinandersetzung mit größerer Verarbeitungstiefe im Gehirn statt.
Vorgehensweise Portfolio
Die Portfoliodokumente sind durch den Lehrenden gestellte schriftliche Analysen, z.B. zu einer Fragestellung oder einem Artikel. Wichtig ist, die Ergebnisse regelmäßig in die nachfolgenden Lehrveranstaltungen einzubinden. So unterstützen Lehrende, dass die Studierenden regelmäßig das Portfolio führen und es nicht nur am Ende des Moduls verfassen.
Vorgehensweise Lerntagebuch (gekürzte Fassung)
In einem Lerntagebuch notieren Studierende diejenigen Lerninhalte, die ihnen aus ihrer subjektiven Perspektive als besonders relevant erscheinen. Darüber hinaus sollen Studierende auf der Grundlage dieser Notizen über die Inhalte der Veranstaltung reflektieren. Dieser Reflexionsprozess, der vom Dozenten / von der Dozentin unterstützt werden kann, ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten.
Die Dozenten / Dozentinnen sollten den Studierenden einige Fragen mit an die Hand geben, die ihnen bei der Reflexion der gelernten Inhalte unterstützen können.
GruppengrößeBeliebig. Der Aufwand für das Lesen und das Feedback zum Portfolio ist ähnlich wie bei einer Hausarbeit.
Zeitaufwand
Die Studierenden sollen entweder während der Veranstaltung 5-10 Minuten Zeit für die Bearbeitung des Lerntagebuchs bekommen oder dies regelmäßig in Anschluss anfertigen.
Zu mehreren Zeitpunkten werden im Rahmen des Portfolios kurze Texte verfasst. Dies geschieht zwischen den Lehrveranstaltungen. Ein Portfolio kann auch über mehrere Elemente eines Moduls (z.B. Vorlesung und zugehöriges Seminar) geführt werden.
Raumausstattung
Keine besonderen Anforderungen.
Material
Vorbereitete Fragestellungen. Erstellung auch über Onlineplattformen möglich (z.B. OLAT).
b) Wie fördern & fordern Portfolios die folgenden Diversitätsdimensionen?
Fachliche Vorerfahrungen & Vorwisse
Die inhaltliche Verarbeitung der Lerninhalte wird zunächst dadurch vertieft, dass eine regelmäßige Nachbereitung stattfindet. Durch die intensive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten können die Studierenden diesen dabei eigenständig gliedern und mit ihrem Vorwissen verknüpfen. Dabei können Querverbindungen zu Lerninhalten aus anderen Veranstaltungen und zu dem eigenen Wissen bzw. zu den eigenen Vorerfahrungen hergestellt werden. Vorwissen und Vorerfahrungen sind beim Einsatz von Portfolios und Lerntagebüchern demnach leicht zu berücksichtigen.
Kernkompetenz selbstständiges Arbeiten & Lernen
Das Portfolio als Prüfungsformat unterstützt das selbstständige Arbeiten besonders, wenn die Portfolioaufgaben eine selbstständige Recherche und Erarbeitung erfordern. Die Reflexion des Lernprozesses durch das Lerntagebuch unterstützt die Studierenden dabei, ihre Lernprozesse bewusst wahrzunehmen und kann daher unter Umständen die bewusste Steuerung der Lernprozesse fördern. Wie stark darüber hinaus selbstständiges Arbeiten gefördert wird, hängt von der Lehrveranstaltung ab.
Studienmotivation
Hinsichtlich der Lernmotivation werden durch das Lerntagebuch extrinsische und intrinsische Motivation als Anreizsysteme bei den Studierenden angesprochen. Sofern das Lerntagebuch als Prüfungsinstrument eingesetzt wird, erhalten die Studierenden ihre Anerkennung durch eine Bewertung. Die Wahlmöglichkeit zur Vertiefung des Lernstoffes im Rahmen des Schreib- und Reflexionsprozesses verstärkt eine intrinsische Motivation. Allerdings ist dies abhängig vom Grad der Strukturierung der Leitfragen, die vom Lehrenden vorgeben werden. Aufgrund eines stärkeren Beteiligtseins an der Gestaltung des eigenen Lernens kann insgesamt eine motivationssteigernde Wirkung des Lerntagebuchs angenommen werden.
Akademische & soziale Integration
Sofern das Lerntagebuch auch als Beratungsinstrument eingesetzt wird, fördert dies die akademische Integration und den Austausch zwischen den Lehrenden und Studierenden. Eine Möglichkeit auch peer-to-peer Interaktionen und somit die soziale Integration der Studierenden zu fördern, wäre die Bildung von (Online-)Projektgruppen und die Möglichkeit zum Peer-Assessment.
Zeitliche & örtliche Restriktionen
Die zeitlichen und örtlichen Restriktionen hängen vom Einsatz des Lerntagebuchs ab. Im Seminar eingesetzt ist es stärker restriktiv. Auch unterliegen begleitende Beratungsgespräche zeitlichen/örtlichen Restriktionen. Im Rahmen von E-Learning kann das Lerntagebuch beispielsweise online nachbereitet und wechselseitig kommentiert werden, was die zeitlichen und örtlichen Restriktionen verringert.
Literatur
Brunner, I.; Häcker, T.; Winter, F. (2006): Das Handbuch Portfolioarbeit. Konzepte - Anregungen - Erfahrungen aus Schule und Lehrerbildung. Seelze-Verlber: Friedrich Verlag.
Kornmann, R. (2009): Das Studientagebuch. Ein neues Mittel zum Leistungsnachweis und zur Evaluation von Lehrqualität. In: Neues Handbuch Hochschullehre (4.1).
Nückles, M. (2011): Vom selbstgesteuerten zum selbstregulierten Lernen: Aktuelle Ansätze und Erkenntnisse: Grenzen, Herausforderungen und Chancen für die Lehre, 01.01.2011. Online verfügbar unter: www.zfs.uni-freiburg.de/aktuelles/Bilder/bilder/ dozent/dozierendenrunde-2011/vortrag_zfs_110628_hp.pdf, zuletzt geprüft am 18.05.2016.
Petko, D. (2013): Lerntagebuch schreiben mit Weblogs. Didaktische Grundlagen und technische Entwicklungen am Beispiel von lerntagebuch.ch. In: D. Miller und B. Volk (Hg.): E-Portfolio an der Schnittstelle von Studium und Beruf. Münster: Waxmann Verlag, S. 206–214. Online verfügbar unter www.pedocs.de/volltexte/2015/10986/pdf/Petko _2013_Lerntagebuch_schreiben_mit_Weblogs.pdf, zuletzt geprüft am 18.05.2016
Richter, A. (2009): Portfolios als alternative Form der Leistungsbewertung. In: Neues Handbuch Hochschullehre. Stuttgart (H 4.2).
Waldherr, F.; Walter, C. (2009): Ideen und Methoden für die Hochschullehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel-Verlag.
Zitation
Buß, Imke; Rump, Jutta; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra (2017): Portfolio- und Lerntagebuch. In: Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra: Toolbox für gute Lehre in einer diversen Studierendenschaft. Arbeitspapiere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Nr. 6. www.hwg-lu.de/arbeitspapiere
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