Dimension: Selbstgesteuertes Lernen
Jutta Rump; Imke Buß; Janina Kaiser; Melanie Schiedhelm; Petra Schorat-Waly
Selbststeuerung wird von Studierenden regelmäßig gefordert, sei es bei dem Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit, bei dem Erarbeiten von Wissen, Können und dessen Anwendung oder bei der Lösung von Aufgaben und Problemen. Module fordern diese Selbststeuerung, also eigenverantwortliches und planvolles Handeln, unterschiedlich stark (Weinert 1982). Besonders in Lernszenarien, in denen Studierende gemeinsam etwas erarbeiten oder entdecken, wird die Außensteuerung (durch die Lehrenden) durch eine verstärkte Innensteuerung (durch die Studierenden) ersetzt (Bruner J. 1973; Schiefele und Pekrun 1996). Darüber hinaus deuten Lerntheorien darauf hin, dass Lernende dargebotene Inhalte nicht einfach identisch mit der Darbietung abspeichern können und daher Selbststeuerungsprozesse von großer Bedeutung sind (Roth 2001; Spitzer 2007). Lernende konstruieren demnach aktiv ihr Wissen in selbstgesteuerten Prozessen (Schubert-Henning 2007). Neues Wissen muss in vorhandene Wissensstrukturen eingebaut und auf der Basis eigener Erfahrungen interpretiert werden (Mandel und Krause 2001). Lernprozesse sind daher subjektiv und individuell verschieden.
Wosnitza (2000, S. 39) definiert selbstgesteuertes Lernen folgendermaßen:
„Der individuelle selbstgesteuerte Lernprozess kann als ein Zusammenspiel zwischen Wollen, Wissen und Können verstanden werden. Auf ein lernendes Individuum übertragen heißt dies, dass dieses über ein bestimmtes Grundwissen verfügt (Wissen) und bereit (Wollen) und fähig (Können) ist, sein Lernen eigenständig und eigenverantwortlich zu planen, zu organisieren, umzusetzen, zu kontrollieren und zu bewerten, sei es alleine oder in Kooperation mit anderen. Dabei nimmt die Umgebung, in der sich dieser Lernprozess vollzieht, direkten und indirekten Einfluss auf den konkreten Verlauf dieses Prozesses.“
In dem „Zwei-Schalen-Modell“ motivierten selbstgesteuerten Lernens (ebd.) wird der komplexe Lernprozess, der kognitive, metakognitive, motivationale und soziale Aspekte integriert, deutlich:
Abbildung 1: Das „Zwei-Schalen-Modell motivierten selbstgesteuerten Lernens
Quelle: Wosnitza (2000).
Das Modell besteht aus einem zentralen Bereich, in dem der Lernprozess mit den Grundkonzepten: Bedarfsbestimmung, Lernstrategien, Handlungskontrolle und Evaluation beschrieben wird und einem äußeren Bereich, in dem die auf den Lernprozess einflussnehmenden lernerspezifischen (inneren) Bedingungen wie Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und Umgebungsbedingungen wie Lernstoff, Lehrqualität, soziale Einbindung etc. verortet sind. Die Bedarfsbestimmung hat die Feststellung eines subjektiven Defizits von deklarativem[1] und prozeduralem[2] Wissen zum Gegenstand und ist maßgeblich für den Einstieg in den Lernprozess verantwortlich. Das bedeutet, dass Studierende überprüfen, was sie schon wissen und können im Vergleich zu den formulierten Lernzielen. In der inneren Schale befinden sich die Prozesse der Informationsverarbeitung, welche zum einen die Umsetzung von Lernstrategien und zum anderen die Steuerung des Informationsverarbeitungsprozesses durch Handlungskontrollprozesse umfassen. Das Bindeglied von der inneren zur äußeren Schale stellt die abschließende Evaluation dar. Studierende haben diese komplexe Selbststeuerung häufig nicht in ihrer Schulzeit gelernt. Wichtig ist es, sie über den Verlauf des Studiums stetig beim Aufbau zu unterstützen und Selbststeuerung in den Modulen, Veranstaltungen und Prüfungen abzubilden.
Literatur
Bruner J. (1973): Der Akt der Entdeckung. In: H. Neber (Hg.): Entdeckendes Lernen. Weinheim: Belz.
Mandel, H.; Krause, U.-M. (2001): Lernkompetenz für die Wissensgesellschaft. Forschungsbericht 145. Ludwig-Maximilians-Universität. Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie. Online verfügbar unter epub.ub.uni-muenchen.de/253/1/FB_145.pdf, zuletzt geprüft am 19.01.2016.
Roth, G. (2001): Fühlen, Denken Handeln. Die neurobiologischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens. Frankfurt: Suhrkamp Verlag.
Schiefele, U.; Pekrun, R. (1996): Psychologische Modelle des fremdgesteuerten und selbstgesteuerten Lernens. In: F. Weinert (Hg.): Psychologie des Lernens und der Instruktion. Enzyklopädie der Psychologie. Göttingen: Hogrefe (2. Band).
Schubert-Henning, S. (2007): Toolbox – Lernkompetenz für erfolgreiches Studieren. Bielefeld: Universitätsverlag Webler.
Spitzer, M. (2007): Lernen: Gehirnforschung und Schule des Lebens. Heidelberg, Berlin: Spektrum Akad. Verlag.
Weinert, F. (1982): Selbstgesteuertes Lernen als Voraussetzung, Methode und Ziel des Unterrichts. In: Unterrichtswissenschaft (2), S. 99–110.
Wosnitza, M. (2000): Motiviertes selbstgesteuertes Lernen im Studium: Theoretischer Rahmen, diagnostisches Instrumentarium und Bedingungsanalyse. Landau: Empirische Pädag. e.V (Erziehungswissenschaft, 5).
Zitation
Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra (2017): Dimension: Selbstgesteuertes Lernen. In: Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra: Toolbox für gute Lehre in einer diversen Studierendenschaft. Arbeitspapiere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Nr. 6. www.hwg-lu.de/arbeitspapiere
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[1] „Deklaratives Wissen entspricht der Kenntnis von Fakten.“ Weiterführende Informationen bei Wosnitza (2000, S. 84 f.).
[2] „Prozedurales Wissen ist Wissen darüber, wie man etwas tut.“ Weiterführende Informationen bei Wosnitza (2000, S. 86 f.).