Vorlesung
Imke Buß; Jutta Rump; Janina Kaiser; Melanie Schiedhelm; Petra Schorat-Waly
a) Beschreibung der Methode
Die Vorlesung ist ein Lehrformat, das an Hochschulen i.d.R. in Lehrveranstaltungen mit vielen Studierenden eingesetzt wird. Meistens ist sie dozierenden- und instruktionszentriert.
Wozu ist es gut?
Das Ziel des Lehrformats Vorlesung ist überwiegend die Darbietung von Wissen (strukturiertes Wissen und Gesamtzusammenhänge). Sie ist besonders gut geeignet, wenn keine Lehrbücher oder andere Lehrmaterialien oder eine Überfülle von Lehrmaterial vorhanden ist, dieses Material schwer zugänglich ist oder nicht in einer Form zur Verfügung steht, die für die betreffenden Studierenden verständlich ist. Dubs (o.J.) nennt die folgenden Qualitätsansätze einer Vorlesung: 1) Beschränkung der Inhaltsauswahl auf das Wesentliche (es darf keine Vollständigkeit angestrebt werden), 2) ein roter Faden und damit eine gut erkennbare Struktur und 3) Anknüpfung an Vorkenntnisse der Studierenden. Ziel kann es sein, durch überblicksartiges Wissen mit punktuellen Vertiefungen weiteres eigenständiges Erarbeiten und Einordnen von Inhalten zu fördern. In großen Gruppen (ab etwa 50 Personen) sind Vorlesungen überwiegend dozierendenzentriert und beziehen Studierende dabei wenig ein. Möglichkeiten zur Aktivierung der Studierenden während der Vorlesung sind Einzel- oder Kleingruppenarbeiten zur Vertiefung einer Problemstellung oder zur Diskussion einer Thematik. Feedback kann im Rahmen digitaler Elemente auch durch Abstimmungstools (z.B. PINGO) eingeholt werden. Kurze Leseaufgaben fördern die Aufmerksamkeit und führen zu einer aktiven Aneignung von Lerninhalten. Dies kann das Behalten von Lerninhalten fördern. Vorlesungen sind jedoch auch bei einer Aktivierung von Studierenden nicht handlungsorientiert. Das heißt, die Anwendung und eigenständige Reflexion des Lerngegenstandes (Handlungsorientierung) wird durch Vorlesungen kaum gefördert.
Vorgehensweise
Bei der Planung des gesamten Semesters sind zunächst die Lernziele zu konkretisieren und mit dem Vorwissen der Studierenden abzugleichen. Das Vorwissen kann z.B. durch die Erstellung einer Mindmap im Plenum, das Durchführen von Quizzen oder Tests erfragt werden. In der Regel sind die Vorkenntnisse der Studierenden unterschiedlich – ergänzende Literatur zum Nachholen von Vorwissen kann daher den Einstieg für einige Studierende verbessern. Mit dem inhaltlichen Aufbau der Veranstaltung geht die Frage einher, wie die Lernmaterialien gestaltet werden. Präsentationen unterstützen dabei die Präsenzveranstaltung, sind aber als alleinige Lernmaterialien i.d.R. aufgrund ihrer Selektivität und ihrer Formulierung in Stichwörtern nicht geeignet. Ein Skript oder ausgewählte Texte helfen den Studierenden, die Veranstaltungen nachzubereiten und sich das Wissen durch Widerholungs- und Anwendungsprozesse anzueignen. Die Anwendung ist bei der Gesamtkonzeption ein wichtiges Element. Beinhalten die Lernziele nicht nur Wissens- und Verstehensaspekte, sondern auch Anwendung und Reflexion, so muss die Lehrveranstaltung Raum für die Durchführung solcher studentischen Aktivitäten bieten. Anwendungen in der Veranstaltung selbst oder ergänzende Übungen oder Tutorien können hierbei unterstützen.
(gekürzte Darstellung)
Gruppengröße
Für große Gruppen ab etwa 40-50 Personen geeignet. In kleinere Gruppen sind eher interaktive Veranstaltungsformate oder die Integration interaktiver Elemente in Vorlesungen ratsam.
Zeitaufwand
Aufbereitung der Präsentation und der studienbegleitenden Lernmaterialien (Skripte, Auswahl von passenden Texten).
Raumausstattung
Hörsaal mit guter Akustik und Beleuchtung.
Material
Vorlesungsskripte oder passende Texte, im Schritt 4 vorgeschlagene Unterlagen und Hilfsmittel
b) Wie fördert & fordert die Vorlesung die folgenden Diversitätsdimensionen?
Fachliche Vorerfahrungen & Vorwissen
Fachliche Vorerfahrungen und Vorwissen sind bei einer Vorlesung in einer großen Gruppe nicht einfach zu berücksichtigen. Mithilfe eines Selbsttests zum individuellen Lernstand können sie im Vorfeld abgefragt werden. Bei der Feststellung eines sehr heterogenen Wissensstandes kann persönliche Beratung der Studierenden zur Feststellung der Diskrepanzen, zusätzliches Material zum Erwerb der notwendigen Vorkenntnisse und entsprechende Literatur angeboten werden. Studierende mit ähnlichem Wissensstand können die entsprechenden Themen gemeinschaftlich erarbeiten. Um Studierende mit fachlicher Erfahrung in die Vorlesung einzubinden, könnten diese ihre Praxisbeispiele z.B. als Fälle in die Veranstaltung einbringen.
Kernkompetenz selbständiges Arbeiten & Lernen
Selbständiges Arbeiten und Lernen wird durch die Anwendung dieser klassisch dozentenzentrierten Methode wenig gefördert. Lernprozesse in diesem Format sind insbesondere Wiederholungs- und Anwendungsprozesse anhand von Skripten, wissenschaftlichen Artikeln oder Aufgaben.
Studienmotivation
Wesentlich für einen Lernfortschritt durch den Besuch einer Vorlesung ist, dass die Studierenden die Ziele der Veranstaltung kennen. Dank transparenter Ziele fällt es ihnen leichter, der Struktur der Vorlesung („roter Faden“) zu folgen, und sie können zielorientierter lernen. Wichtig ist, dass Lehrende die Studierenden auch darüber informieren, warum diese Lehrinhalte unterrichtet werden (So what?). Für extrinsisch motivierte Studierende wäre ein Test z.B. am Ende eines Lernabschnitts ein möglicher Lernanreiz. Eher intrinsisch motivierte Studierende profitieren z.B. von Aufgaben zum Selbststudium, Möglichkeiten zur Vertiefung oder Analysen von Fragestellungen innerhalb und außerhalb der Lehrveranstaltung.
Akademische & soziale Integration
Akademische und soziale Integration wird hier gering gefördert. Da Lernen als ein sozialer Prozess verstanden werden kann, ist die Interaktion zwischen Studierenden und mit Lehrenden jedoch für den Lernprozess hilfreich. Phasenweise einsetzbare Arbeit in Kleingruppen oder von Lehrenden angebotene Sprechstunden können die soziale bzw. akademische Integration unterstützen. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Interaktion positiv auf die Integration wirkt. Sinnvolle, differenzierte Themenstellungen helfen dabei, Langeweile zu vermeiden und hohe soziale Kompetenzen sowie die Berücksichtigung der Vielfalt der Studierenden reduzieren Ausgrenzung.
Zeitliche & örtliche Restriktionen
Zeitliche und örtliche Restriktionen sind bei Vorlesungen aufgrund des festgelegten Zeitpunkts nicht vermeidbar. Hier können die Probleme, die sich aus den individuellen Restriktionen ergeben, durch Verfügbarkeit von Texten oder Skripten, Erklärung der kritischen Punkte (Screencast) oder Nutzung einer E-Learning-Plattform vermindert werden.
Literatur
Dubs, R. (o.J.): Gut strukturiert und zielgerichtet. Tipps zur Vorbereitung und Durchführung von Vorlesungen. In: Neues Handbuch Hochschuldidaktik (E. 2.5).
Pfäffli, B. (2005): Lehre an Hochschulen. Eine Hochschuldidaktik für den Aufbau von Wissen und Kompetenzen. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Verlag.
Zitation
Buß, Imke; Rump, Jutta; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra (2017): Vorlesung. In: Rump, Jutta; Buß, Imke; Kaiser, Janina; Schiedhelm, Melanie; Schorat-Waly, Petra: Toolbox für gute Lehre in einer diversen Studierendenschaft. Arbeitspapiere der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Nr. 6. www.hwg-lu.de/arbeitspapiere
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