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18-Spektrum-Juni2015

43 Prof. Dr. Karl-Heinz Sahmel Professur für Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft 0621/5203-550 karl.sahmel@hs-lu.de Pflege als Sorge erstrebt stets die Einbindung des Pflegebedürftigen in Kommunikation, versucht ihn vor Vereinsamung zu bewahren oder in die Gesellschaft zurückzuholen. Dies erfordert Zeit. Altenpflegekräfte haben es weniger mit ͵Heilungʹzu tun als mit Unterstützung beim Erhalt von Selbstbestimmung und der Gestal- tung der je eigenen, biografisch gewordenen Le- bensqualität. Während medizinisch normiertes Pflegehandeln eher direktiv strukturiert ist, ist sozialpflegerisches Handeln vornehmlich non- direktiv, dialogisch auf die Bedürfnisse der Men- schen ausgerichtet. Der zweite Aspekt betrifft die Ökonomisierung: Seit der intensiven öffentlichen Diskussion um das Pflegeversicherungsgesetz in den 1990er Jahren hat der Blick auf die Kosten von Pfle- gebedürftigkeit im Alter jegliche alternativen Sichtweisen bis in die Gegenwart hinein ver- dunkelt. In dieser Debatte ging (und geht) es nicht vornehmlich um die angemessene Teil- habe von alten Menschen am gesellschaftlichen Leben, nicht um Lebensqualität, sondern um die Kostensicherung für drohende „Pflegefälle“. Auch im volkswirtschaftlichen Diskurs wird Al- ter gleichgesetzt mit Krankheit; die Diskussion über Kosten verdeckt die Fragen nach dem men- schenwürdigen Leben auch und gerade derjeni- gen Mitglieder unserer Gesellschaft, die in ihrer produktiven Phase grundlegenden Anteil am Aufbau und Ausbau des Wohlstandes geleistet haben und nun am Ende ihres Lebens von der Verteilung dieses Wohlstandes ausgeschlossen werden. Das Pflegeversicherungsgesetz war letztlich ein Schritt in die falsche Richtung. Zwar wurde mit der Einführung des SGB XI „der Klient … nicht mehr gesehen als paternalistisch zu versorgender Leistungsempfänger, sondern als selbstbestimm- ter, eigenverantwortlicher, über Wahlmöglichkei- ten verfügender Nutzer“ (Landenberger). Auf der anderen Seite wird aber ein zerstückelter, auf ein- zelne Verrichtungen und deren Abrechenbarkeit ausgerichteter Begriff von Pflege festgeschrieben, der soziale Dimensionen oder gar eine ganzheit- liche Sicht auf den alten Menschen als illusionär erscheinen lässt. Wir brauchen dringend einen neuen Pflegebegriff, der eben nicht die ökonomi- schen Aspekte in den Vordergrund stellt. Es zeichnet sich ab, dass staatliche Stellen sich zunehmend aus ihrer sozialpolitischen Verant- wortung stehlen und stattdessen ein Pflege-Markt mit starken Konkurrenzkämpfen entstanden ist. Insgesamt wird hier das massive Eindringen des Neoliberalismus (auch) in das Gesundheits- und Pflegesystem in Deutschland deutlich: Der Staat dringt auf Kostendämpfung in einem immer teu- rer werdenden System, die großen Akteure (Phar- maindustrie, Krankenkassen, private Träger von Krankenhäusern und Pflegeheimen, Wohlfahrts- verbände) wehren sich erfolgreich gegen staatli- che Eingriffe, die wachsenden Defizite müssen von den Versicherten über als „Selbstbeteiligung“ deklarierte Zuzahlungen übernommen werden. Die in Altersbildern konstatierten Widersprüche bleiben also bestehen! Entsprechend sollten wir zulassen, dass eine einseitige Sichtweise auf das Alter – die medizinische oder die ökonomische – tatsächlich die Vielfältigkeit des Alters verdeckt. Ob ein positives Altersbild entfaltet wird, Alter als „ge- staltbar“ verstanden, alte Menschen als dynamisch angesehen werden, die durch hohe Individualität geprägt sind und stets mitbestimmen und gestalten wollen, bleibt offen. Dieser Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Vor- trags zur Eröffnung der Reihe „50 plus“ an der Hochschule Ludwigshafen am 4. Dezember 2014. Die ausführliche Fassung finden Sie unter: http://www.hs-lu.de/50plus

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