47 (und in genau dieser Rolle ist jeder Studierende, der eine wissenschaftliche Arbeit anfertigt) ist die des meinungsoffenen Analysten und Beraters. Wir 1. geben Problemen eine Struktur, 2. erarbeiten die Ziele und stellen Hypothesen auf, 3. nutzen oder entwickeln Erklärungsmodelle, 4. erstellen auf ihrer Basis Kriterienkataloge, anhand derer wir Optionen bewerten und die Hypothesen überprüfen, um so zu einer Empfehlung zu kommen. Wildes Herumspekulieren, Jonglieren mit zwei- felhaften Daten, Polemisieren oder ultimative und einzig richtige Lösungen ausspucken, überlassen wir der sattsam bekannten Talkshow-Prominenz. Und wie ist das nun mit Griechenland? Wie über die Weltfinanzkrise 2008 bis 2010 wer- den auch über die Griechenland-Saga Bücher geschrieben werden. Diese werden kommentieren, welche Fehler jetzt gerade gemacht werden, welche Entscheidungen jetzt gerade falsch oder gar nicht getroffen werden. Sie werden zeigen, dass wir ei- gentlich hätten wissen müssen, dass … Jetzt, heute, mitten im Geschehen ist es ungleich schwieriger, eine neutrale Perspektive einzuneh- men. Im Rahmen eines Vortrags am 24. März 2015 versuchte ich, vor über 80 Gästen (davon gut 15 Griechen) die Griechenland-Krise unter Anwen- dung der hier formulierten Regeln zu erläutern. Die Abbildungen stammen aus dem Vortrag und geben eine Idee, wie er aufgebaut war. Doch während die Analyse der Situation und die Beschreibung der Entwicklungen, die zum Status quo geführt haben, noch einfach waren, schien es unmöglich, Lösungs- wege zu skizzieren. Einmal mehr war ich sehr froh, nicht in der Haut von Juncker, Draghi, Masuch, Dijsselbloem, Lagarde oder Merkel zu stecken. Aber bitte auch nicht in jener Tsipras'. In der Vorbereitung zum Vortrag zeigte sich, dass die EZB, die Bundesbank, die OECD, der IWF und einige wenige Forschungsinstitute (ifo, HWWA, Mannheimer Institut für Sozialforschung und so Prof. Dr. Jörg B. Kühnapfel Professur für General Management, insbesondere Vertriebscontrolling 0621/5203-210 joerg.kuehnapfel@hs-lu.de weiter) die verlässlichsten Daten lieferten. Euro- STAT, die EU-Kommission und griechische Institu- tionen waren … „Ausfälle“. Erschreckende Ausfälle zum Teil, wie mein Taschenrechner bestätigte: Es ist unverständlich, welch inkonsistente Daten pub- liziert werden, Daten, auf die sich Journalisten stür- zen, ohne sie mit den Daten, die gestern oder vor- gestern veröffentlicht wurden, abzugleichen. Heraus kommt Polemik, Meinungsmache oder bestenfalls Kanonenfutter für Stammtischdiskussionen. Was ich zur Griechenland-Krise herausgefunden habe, ist Folgendes: Wurzel des Übels scheinen (Konjunktiv, siehe vierte Regel) ineffiziente Insti- tutionen (Behörden et cetera), ineffiziente – weil durch Interessengruppen geschützte – Märkte sowie ein unflexibler Gesellschaftsvertrag zu sein. Alle drei Komponenten sind vermutlich die Folge einer kumulativen, seit Jahrzehnten existierenden und durch die preiswerte Fremdkapitalfinanzie- rung der letzten 15 Jahre übertünchten Problem- anhäufung. So, wie ein Gletscher über Jahre seine Muränen anhäuft, so hat die auf Patronagen auf- bauende griechische Gesellschaft Problemberge angehäuft, die mit sanften Mitteln und aus eigener Kraft nicht mehr abgetragen werden können, so jedenfalls – um es deutlich zu kennzeichnen – mein Urteil. Dieses Problem kennen wir auch aus anderen Staaten Europas und der Welt (Bulgarien, Rumänien, Argentinien, Kuba, Frankreich und so weiter), doch in einigen gelang es, um im Bild zu bleiben, wie Gletscher um die Berge herumzuflie- ßen und sie so hinter sich zu lassen (Großbritanni- en, Deutschland und so weiter). Gelingt das auch in Griechenland? Oder wäre eine Eskalation heilsam? Eine einfache Lösung wird es nicht geben.